© Sigrid Euteneuer 

Von der Kunst mit Vögeln zu jagen-Geschichtliches zur Falknerei

Die Ursprünge der Falknerei

Die Jagd mit abgerichteten Greifvögeln und Falken, auch Beizjagd genannt, übt eine besondere Faszination auf den Menschen aus. Ihre Ursprünge reichen nach aktuellem Forschungsstand bis nach Asien zurück, wo die Falknerei auf eine lange Tradition blickt. Artefakte aus Babylonien, China, der Mongolei, Indien und dem Nahen Osten legen nahe, dass die Beizjagd bereits vor etwa 3000 Jahren praktiziert wurde und Bestandteil der Jagdkultur früher Zivilisationen war.

 

Aus den Steppenregionen Asiens gelangte das Wissen um die Zähmung und Abrichtung von Greifvögeln und Falken vermutlich im Zuge der Völkerwanderung nach Europa. Archäologische Funde aus dem 5. und 6. Jahrhundert belegen, dass sich die Falknerei in Europa nicht nur als Jagdpraxis etablierte, sondern auch tief in die sozialen und kulturellen Strukturen eingebunden war. In verschiedenen Regionen entdeckte Grabbeigaben belegen, dass der Besitz und die Nutzung von Greifvögeln und Falken als Ausdruck von Macht und Prestige galten.

 

Von der Jagdpraxis zum höfischen 
Privileg-Die Falknerei im Mittelalter
 

Im Mittelalter schließlich entwickelte sich die Falknerei zum standesgemäßen Privileg des Adels und erlangte den Status einer höfisch-herrscherlichen-Verhaltensform. Bereits Kaiser Karl der Große (747/8–814) erließ um 800 in seinen Kapitularien mehrfach Verordnungen, die die Jagd mit Falken und anderen Greifvögeln gesetzlich regelten. Während die Beizjagd ursprünglich in verschiedenen Gesellschaftsschichten praktiziert wurde, wandelte sie sich im Laufe der Zeit zu einem Exklusivrecht des Adels.

 

Als integraler Bestandteil des höfischen Lebens erreichte die Falknerei im Hochmittelalter ihre Blütezeit. Sie diente nicht nur der körperlichen Ertüchtigung, sondern auch der Schulung ritterlicher Tugenden und der Verfeinerung von Kriegs- und Kampfkünsten. Die Jagd mit Falken und Greifvögeln galt als Sinnbild für Disziplin, Maßhalten, Gerechtigkeitssinn und Weisheit. 

 

Sie war ein fester Bestandteil der Erziehung heranwachsender Würdenträger und wurde, wie schriftliche Quellen und Buchmalereien belegen, auch aktiv von adligen Frauen ausgeübt.

 

 

 

Herr Wernher von Teufen, aus: Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), Zürich, 1305-1340,

Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, fol. 69r

Friedrich II.-Die Falknerei als Wissenschaft

 

In den Augen Friedrichs II. von Hohenstaufen (1194–1250) stellte die Beizjagd die vornehmste und anspruchsvollste aller Jagdarten dar. Der Staufenkaiser betrachtete die Ausübung der Falknerei nicht nur als echte Kunst, sondern auch als eine ernsthafte Wissenschaft, die auf die allgemeine Erforschung der Natur ausgerichtet war. Mit großem intellektuellem Ehrgeiz widmete er sich diesem Thema. 

 

Besonders fruchtbare Anregungen erhielt er dabei durch den intensiven Kontakt zum Nahen Osten. Friedrich II. führte unter anderem die heute noch gebräuchliche Falkenhaube in den Westen ein. Die neuen Impulse fanden ihren Niederschlag in seinem bedeutenden Manuskript De arte venandi cum avibusDie Kunst, mit Vögeln zu jagen.

 

 

 

Detail: Friedrich II., aus Friedrich II, De arte venandi cum avibus, 1241-1248, Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 1071, fol. 1v.

 

 

 


Von der Jagdpraxis zum sozialen Spektakel-
Die Falknerei in der Frühen Neuzeit
 

 

Im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit blieb die Falknerei zwar ein zentrales Element höfischer Aktivitäten, wandelte sich aber mit Schwinden der ritterlichen Etikette zunehmend zu einem spielerischen Zeitvertreib.

 

Die Jagd mit Greifvögeln und Falken wurde an vielen Fürstenhöfen Europas in unterschiedlicher Intensität gepflegt und dabei gezielt für die politische und private Kontaktpflege genutzt. Höfische Jagden gestalteten sich oft als groß angelegte Ereignisse, die mit Picknick und Tanz kombiniert wurden. Eine Beizpartie bot nicht nur Kulisse für die höfische Prachtentfaltung, sondern auch jene zwanglose Atmosphäre, die sich für die Interaktion von Personen unterschiedlicher Geschlechter und sozialer Ränge eignete. 

 

Detail: Beizjagd, aus: Pierre Choisnet

(1411?-1483?), Livre des trois  âges de l`homme, 1451-1500, 31 x 21,5 cm, Bibliothèque nationale de France, Paris, Manuscrits, Smith-Lesouëf 70, fol 5r.

 

 

 

Die Falknerei zeichnete sich durch einen besonderen symbolischen Stellenwert aus. Das Führen eines abgerichteten Greifvogels oder Falken war nicht nur ein Statussymbol, das die soziale Hierarchie festigte, sondern zugleich die Fähigkeiten und Qualitäten des Falkners zum Ausdruck brachte. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Herrscherinnen und Herrscher wie Margarete von Österreich (1480–1530) oder Karl V. (1500–1558) bereits in jungen Jahren die Techniken der Falknerei erlernten.

 

Allein der Besitz einer reichen Vielfalt an Falken und habichtartigen Greifvögeln galt als Zeichen außergewöhnlichen Prestiges. Diese wertvollen, oft nur schwer zu erlangenden Vögel wurden nicht nur befreundeten Gästen, sondern auch fremden Gesandten präsentiert und waren zugleich begehrte diplomatische Geschenke. 

 

Im Verlauf des 17. Jahrhunderts wurde die Falknerei und ihre Symbolik schließlich vom wohlhabenden Bürgertum übernommen. Die Beizjagd, einst dem Adel vorbehalten, wurde nun auch vom Patriziat ausgeübt. Ab dem Ende des 17. Jahrhunderts verlor die Falknerei aufgrund der Fortschritte in der Schusswaffentechnik an Bedeutung. Lediglich an den Höfen der Landesfürsten blieb sie weiterhin Privileg und Lustbarkeit, die bis zur Französischen Revolution in großem Umfang gepflegt wurde.

 

 

 

 

Meister der Magdalenenlegende (zugeschrieben/aktiv von 1480 bis 1537) Karl V. als Siebenjähriger mit einem Jagdfalken, 1507, Öl auf Tafel, 49,0 cm x 35,5 cm, Kunsthistorisches Museum Wien.

 

 

Clemens August I.- Falknerei im Glanz des Spätbarocks

Unter Clemens August I. von Bayern (1700–1761) erlebte die Falknerei im 18. Jahrhundert einen weiteren Höhepunkt. Der Kurfürst von Köln ließ in Brühl ein Schloss errichten, das eigens für die Bedürfnisse seiner Falkner konzipiert wurde. 

 

Auf Falkenlust richtete er die sogenannte Reiherbeize aus, die als aufsehenerregende Schaujagd vor einem ausgewählten Publikum abgehalten wurde. 

 

 

 

Franz Josef Winters (?/um1690-1756), Clemens August, um 1732, Öl auf Leinwand, 280 cm x 149,5 cm Schloss Augustusburg, Brühl.

 

 

 

 

 

Falknerei in der Moderne– Eine lebendige Tradition

Auch heute stellt die Falknerei weit mehr dar als eine Jagdmethode. Sie ist eine lebendige Tradition, die Wissen und Respekt für die Natur bewahrt und weitergibt.

Insbesondere in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erlebte die Falknerei einen neuen Aufschwung: Technische Fortschritte, Neuerungen in der Veterinärmedizin und erfolgreiche Zuchtprogramme trugen maßgeblich zu dieser Entwicklung bei. Mit der Entstehung der Falknervereine wurde ein entscheidender Beitrag dazu geleistet, die Kunst der Falknerei im Einklang mit zeitgemäßen und nachhaltigen Prinzipien von Natur- und Tierschutz fortzuführen. 

Seit seiner Gründung im Jahr 1959 engagiert sich auch der Orden Deutscher Falkoniere e. V. (ODF) aktiv für den Erhalt und die Förderung der Falknerei, insbesondere durch die Unterstützung der artgerechten Haltung und Zucht heimischer Greifvögel sowie den Natur- und Artenschutz.

Im Jahr 2016 wurde die Falknerei durch ihre Aufnahme in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO auf globaler Ebene als bedeutende Kulturtechnik der Menschheit anerkannt.

 

 

Text und Bildmaterial von Ilona Ciesielski M.A.

 

 

Quellen: 

CIESIELSKI, Lothar: Der Gerfalke (Die Neue Brehm Bücherei Bd. 264), Hohenwarsleben 2007.

GERSMANN, Karl-Heinz; GRIMM, Oliver (Hg.): Raptor and human – falconry and bird symbolism throughout the millennia on a global scale , Kiel/Hamburg 2018.

GRIMM, Oliver (Hg.): Raptor on the fist: falconry, its imagery and similar motifs throughout the millennia on a global scale – a synthesis against a broader background, Kiel/Hamburg 2020.

FIETZE, Katharina: Im Gefolge Dianas. Frauen und höfische Jagd im Mittelalter (1200–1500), (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte hrsg. v. Helmut Neuhaus, Heft 59), Köln/Weimar/Wien 2005.

MCDONALD, Helen: Falke. Biographie eines Räubers, München 2017.

NIEDERMANN, Christoph: Das Jagdwesen am Hofe Herzog Philips des Guten von Burgund (Archief- en Bibliotheekwezen in België/Extranummer 48), Brüssel 1995.

PETERS, Heinz: Falke, Falkenjagd, Falkner und Falkenbuch, S. 1251–1366, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, hrsg. v. Zentralinstitut für Kunstgeschichte München (Bd. VI. Eselsrücken–Farbe, Farbmittel), München 1973.

RÖSENER, Werner: Die Geschichte der Jagd, Düsseldorf/Zürich, 2004.

WEBER, Nadir (Hg.): Hege und Herrschaft. Höfische Jagdtiere in der Europäischen Vormoderne (Bd. 3: Tiere der Geschichte hrsg. v. Christian Jaser, Mieke Roscher, Nadir Weber), Wien/Köln, 2023.

WILLEMSEN, Carl Arnold: Die Kunst mit Vögeln zu jagen, 2 Bde., Frankfurt am Main 1964.

WILLEMSEN, Carl Arnold: Kaiser Friedrich II. Über die Kunst mit Vögeln zu jagen. Kommentar zur lateinischen und deutschen Ausgabe, Frankfurt am Main 1970.

WOLTER VON DEM KNESEBECK, Harald: Aspekte der höfischen Jagd und ihrer Kritik in Bildzeugnissen des Hochmittelalters, in: Jagd und höfische Kultur im Mittelalter (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 135), Göttingen 1997.

ZEHNDER, Frank Günther; SCHÄFKE, Werner (Hrsg.): Der Riss im Himmel. Clemens August und seine Epoche (Katalog zum Gesamtprojekt Bonn–Brühl–Köln–Jülich–Miel 13.05–01.10.2000), Köln 2011.

 

 

 

 

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